Willkommen, Tschechien!

Mit einer deutlichen Mehrheit von 77,3% stimmte die tschechische Bevölkerung am 13. und 14. Juni 2003 für den EU-Beitritt ihres Landes. Lange Zeit waren die Umfragen stabil, aber nur über 50% gelegen. Die nun deutlich gestiegene Zustimmung ist vermutlich auf die erfolgreichen Referenden in den anderen Beitrittsländern zurückzuführen. Die Wahlbeteiligung lag bei 55,2%.

Die Tschechische Republik stellte am 17. Jänner 1996 ihren EU-Beitrittsantrag. Die Verhandlungen wurden 1998 aufgenommen und im Dezember 2002 beim EU-Gipfel in Kopenhagen abgeschlossen. Das Europäische Parlament hat die Beitrittsverträge bereits am 9. April 2003 ratifiziert, die am 16. April 2003 beim EU-Gipfel in Athen feierlich unterzeichnet wurden. Nach Ratifizierung durch die nationalen Parlamente der derzeitigen Mitgliedsstaaten wird Tschechien am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beitreten.

Tschechinnen und Tschechen haben sich mitunter zu Recht gegen den Begriff "Osterweiterung" gewehrt, liegt Prag doch westlich von Wien und wesentlich westlicher als Helsinki. Die Tschechische Republik liegt somit im Herzen Europas; Sie ist der einzige neue EU-Mitgliedstaat, der nur von anderen EU-Mitgliedsstaaten umgeben sein wird.

Zur Geschichte der Tschechischen Republik

Die Einwanderung slawischer Stämme in das Gebiet der heutigen Tschechischen Republik wird für das sechste nachchristliche Jahrhundert datiert. Christianisierungsversuche durch fränkische Missionare im 8. Jhdt. waren relativ erfolglos. 863 wurde das Mährische Reich von Byzanz aus durch Cyril und Methodius missioniert. Konflikte zwischen den "Byzantinern" und dem Papst, interne Rivalitäten und die Bedrohung durch die Ungarn führten 906 zum Zerfall des Großmährischen Reiches. Etwa um die gleiche Zeit stiegen die Přemysliden in ihrer Heimat Prag zu regionaler Bedeutung auf, wurden aber von Otto I. 950 besiegt und in das Heilige Römische Reich eingegliedert.

Böhmen konnte sich im Lauf der folgenden Jahrhunderte emanzipieren und wurde 1198 unter Přemysl Otakar I. ein selbständiges Königreich. Großflächige Expansionen wurden durch die Niederlage Otakars II. gegen Rudolf von Habsburg 1278 vorläufig verhindert. Nach dem Aussterben der Přemysliden 1306 übernahmen die Luxemburger das böhmische Königreich, das in etwa dem heutigen Tschechien entspricht. Der Luxemburger Karl IV., der auch römisch-deutscher Kaiser war, gründete 1348 in Prag die erste Universität nördlich der Alpen.

Das 15. Jhdt. sieht Böhmen durch die Hussitenkriege gespalten und in einem wirtschaftlichen Niedergang. Der Kirchenreformator Jan Hus prangerte ein Jahrhundert vor Martin Luther die Korruption in der katholischen Kirche an und bezahlte dies mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen. Auch dynastisch kam Böhmen nicht zur Ruhe. Nach dem Aussterben der Luxemburger, dem Zwischenspiel durch Georg Podiebrad und einer etwa 50-jährigen Herrschaft durch die polnischen Jagiellonen wurde 1526 Ferdinand von Habsburg zum böhmischen König gewählt. Ende des 16. Jdhts. verlegte Kaiser Rudolf II. den Hof nach Prag und verhalf der Stadt damit zu einer heute noch sichtbaren kulturellen Blüte. Der 30-jährige Krieg (1618-1648) war für das böhmische Königreich eine Katastrophe, bedingt durch die Vertreibung, bzw. Kaltstellung der Eliten und den wirtschaftlichen Niedergang.

Der Aufschwung des 18. Jhdts. war von steigenden Germanisierungstendenzen begleitet, die wiederum das Erwachen des tschechischen Nationalbewusstseins im 19. Jhdt. nach sich zogen. Diese Bewegung war ursprünglich eher kulturell als politisch motiviert und erst der Erste Weltkrieg brachte die radikale Forderung nach der staatlichen Unabhängigkeit, die 1918 folgte. Der neugegründete Staat umfasste das Königreich Böhmen, die Slowakei und Teile der Karpatho-Ukraine. In jenen Jahren gehörte die Tschechoslowakei zu den zehn reichsten Ländern der Welt; Sie wurde von ihrem ersten Präsidenten Tomáš Masaryk entscheidend geprägt. Die Rezession der 30er-Jahre des 20. Jhdts. schlug aber auch in der Tschechoslowakei zu.

Der wirtschaftliche Niedergang und der wachsende Einfluss Deutschlands polarisierten die deutsche Minderheit zusehends und die Lage spitzte sich immer mehr zu. Von den Bündnispartnern bei der Münchner Konferenz im Stich gelassen wurde das Land aufgeteilt. Die tschechisch-deutschen Grenzregionen wurden dem 3. Reich einverleibt, der Rest Böhmens und Mährens von den Deutschen besetzt, Ungarn und Polen schnappten sich einzelne Landstriche und die Slowakei wurde ein Marionettenstaat der Nationalsozialisten. Obwohl von einem verbrecherischen Regime unterdrückt, waren die Folgen des Zweiten Weltkriegs doch weniger verheerend als in anderen Teilen Europas.

Ähnlich wie andere Länder der Region wurde auch die 1945 wiederhergestellte Tschechoslowakei auf den Konferenzen der Alliierten dem sowjetischen Einflussbereich zugeschlagen. Und ähnlich wie in Polen dauerte es drei Jahre bis zur endgültigen Machtübernahme durch die Kommunisten. Während die 50er und frühen 60er-Jahre durch ein sehr starres System gekennzeichnet waren, versuchte Alexander Dubček 1968 den "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" zu verwirklichen und fand dabei breite Unterstützung bei der Bevölkerung. Die Sowjets beendeten den Prager Frühling mit einer Militärintervention, und mehr als 150.000 Menschen - darunter viele Künstler - emigrierten oder wurden ausgebürgert. Es folgte eine Phase der "Normalisierung", die durch Hoffnungslosigkeit und politische Gleichgültigkeit geprägt war.

Die Charta 77, eine Bürgerrechtsbewegung mit den Sprechern Václav Havel, Jan Patočka und Jiří Hajek war das Engagement weniger Intellektueller. Umso erstaunlicher war daher das neuerliche Aufstehen der Masse der Bevölkerung in der samtenen Revolution von 1989, die aus der Tschechoslowakei wieder eine freie Demokratie machte. Ohne Befragung der Bevölkerung folgte 1993 die samtene Scheidung von der Slowakei. Die Tschechische Republik trat 1999 der NATO bei und wird nach dem erfolgreichen Referendum am 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union.

Weitere Informationen:

Offizielle Webseite der Tschechischen Republik

Länderprofil

Margareta Stubenrauch, 15. Juni 2003, aktualisiert am 27. August 2010