Reformvertrag statt Europäische Verfassung

Der Europäische Rat vom 21./22. Juni 2007 hat das Mandat für die Regierungskonferenz beschlossen, die nun im Juli begonnen hat und bereits im Oktober abgeschlossen werden soll. Der portugiesische Vorsitz plant eine Einigung beim informellen Rat in Lissabon am 20./21. Oktober 2007.Durch den Reformvertrag wird kein neuer konsolidierter Vertrag geschaffen werden, sondern es werden die Neuerungen im Rahmen eines traditionellen Änderungsvertrages übernommen. Zum einen wird ein Großteil der Substanz des Verfassungsvertrages unverändert, zum anderen werden die beim ER ausverhandelten Änderungen v.a. im institutionellen Bereich übernommen. Bei Abschluss der Regierungskonferenz sollen konsolidierte Fassungen des EU-Vertrages und des EG-Vertrages, der dann "Vertrag über die Arbeitsweise der Union" heißen wird, vorliegen.

Die wichtigsten Änderungen im institutionellen Bereich:

- einheitliche Rechtspersönlichkeit der Union; der Begriff der Europäische Gemeinschaft fällt weg


- Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtscharta, was aber keine Erweiterung der Zuständigkeiten bewirkt, für Großbritannien erwachsen jedoch keine einklagbaren Rechte


- kein Außenminister, sondern Hoher Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik


- doppelte Mehrheit (55% der Anzahl der Mitgliedstaatem und 65% der EU-Gesamtbevölkerung) für qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse im Rat ab.1.11.2014. Bis 31.3.2017 kann ein Mitgliedsstaat jedoch das jetzige Mehrheitssystem (von Nizza) beantragen und diesem muss dann stattgegeben werden (Anliegen von Polen). Ab 1.4.2017 gilt dann ohne Einschränkung das System der doppelten Mehrheit, die Sperrminorität nach der Ionnina-Klausel ist aber relativ einfach zu erreichen (55% der Bevölkerung und 55% der Anzahl der Mitgliedsstaaten reichen aus).- Verordnung und Richtlinie werden beibehalten, die Unterscheidung zwischen legislativen und nicht-legislativen Rechtsakten wird aus der Verfassung übernommen, so auch die delegierten Rechtsakte und und die Durchführungsrechtsakte

 
- vereinfachtes Verfahren zur Änderung der internen Politikbereiche der Union (Einstimmigkeit des Europäischen Rates auf Antrag eines Mitgliedstaates, der Europäischen Kommission oder des Europäischen Parlamentes)


- eigenes Protokoll über die Ausübung der geteilten Kompetenzen


- eigenes Protokoll über Dienste von allgemeinen Interesse (Daseinsvorsorge


- die europäische Bürgerinitiative wird unverändert aus der Verfassung übernommen

 

Anna Muner-Bretter, 26. Juli 2007