Keine matte Sache

„Die Stierkämpf' a matte Sache ... Simmering-Kapfenberg, das nenn i Brutalität“ lässt Helmut Qualtinger seinen Herrn Travnicek sagen.

 

Nun, Stierkämpfe mögen vieles sein, das kultivierteste Fest der Welt (Federico García Lorca) oder der Auslöser für leidenschaftliches Engagement von TierschützerInnen, eine matte Sache sind sie nicht. Eine „corrida de toros“ ist ein hochritualisierter Prozess, während dessen drei Matadores sechs Stiere töten. Zu Beginn erscheinen zwei Reiter und erbitten symbolisch den Schlüssel zum Tor der Kampfstiere vom Präsidium. Anschließend reiten sie zurück und holen die Toreros ab. Toreros heißen alle an der Corrida beteiligten Personen. Jeder Matador hat eine Cuadrilla, ein Team, bestehend aus drei Banderilleros und zwei Picadores, denen in den drei Phasen der Corrida verschiedene Aufgaben zukommen. Der Zug, in dem jeder Teilnehmer einen vorgeschrieben Platz einnimmt, bewegt sich zum Präsidenten um ihn zu grüssen und löst sich dann auf.

 

Sobald der erste Stier in der Arena ist, geht es los. Die Banderilleros sind hinter Schutzwänden postiert und zeigen dem Stier kurz ihre Capas, eine Art Tuch mit dem Ziel, dass der Matador den Stier beobachten kann, wie er läuft, angreift und mit welchem Horn er zustößt. Dann betritt der Matador den Sand und macht einige Figuren mit der Capa. Ein Trompetensignal kündigt den nächsten Teil an: Hoch zu Ross erscheinen die Picadores. Einer von ihnen stößt dem Stier seine Lanze in den Rücken, um ihn zu schwächen. Ohne diesen Stich wäre es dem Matador später unmöglich, den Stier zu töten.

Ein neuerliches Trompetensignal kündigt die zweite Phase an. Jeder der drei Banderilleros macht nun den Stier auf sich aufmerksam und rennt in dem Moment los, wenn auch der Stier seinen Angriff beginnt. Beim Zusammentreffen springt der Banderillero hoch und platziert die Banderillas auf dem Rücken des Stiers. Manche Matadores setzen die Banderillas selbst.

In der dritten Phase beginnt die eigentliche Arbeit, die Faena des Matador mit dem roten Tuch, der Muleta. Der Matador hat nun zehn Minuten Zeit den Stier dahin zu bringen, dass er dem Tuch absolut folgt. Bei einer guten Faena spielt nun die Musik. Der Matador reiht Figur an Figur und beendet seine Faena mit dem Todesstoss. Dazu "stellt" er den Stier, d.h. der Stier muss gerade stehen und sollte die Vorderbeine zusammen haben, damit die Schulterblätter offen sind. Der Matador lenkt den Stier mit der linken Hand rechts an seinem Körper vorbei und sticht mit rechts - also über Kreuz. Die Stelle, die den sofortigen Tod zur folge hat, ist nicht größer als ein Zwei-Euro-Stück. Ein guter Matador trifft beim ersten Mal.

Ist das Publikum zufrieden mit dem Kampf schwenkt es weiße Taschentücher, damit verlangt es beim Präsidenten ein Ohr des Stieres für den Matador, als Steigerung beide Ohren oder – in Ausnahmefällen- noch den Schwanz. Stille ist die schlimmste Strafe.

Wer überhaupt so lange gelesen hat, wird vermutlich in seiner Überzeugung gestärkt werden, dass dieses tierquälerische Schauspiel möglichst schnell abgeschafft werden sollte. Gehen Sie niemals zu einer Corrida! Deren archaisches Ritual, der aufreizende Rhythmus des Paso Doble während einer überzeugenden Faena, eine bis auf den letzten Platz gefüllte Arena, ein kraftvoller Stier, ein verwegener Matador auf Knien a porta gayola, die untergehende Sonne, die die Perlenstickerei auf dem Kostüm des Matador leuchten lässt und seine in Bewegungen in gleißende Lichtlinien verwandelt, …..All das kann Emotionen in Ihnen wecken, die Sie schon lange unter Schichten von Zivilisation, (vermeintlicher) kultureller Überlegenheit und politischer Korrektheit begraben glaubten.

Margareta Stubenrauch, 16. Oktober 2006