Europa 2030

Im Dezember 2007 hat der Europäische Rat eine Reflexionsgruppe eingerichtet, die sich mit der Zukunft Europas in einem Zeithorizont bis 2030 beschäftigen sollte. Der ehemalige spanische Ministerpräsident Felipe González führte den Vorsitz. Neben weiteren prominenten Persönlichkeiten des politischen Lebens, wie dem ehemaligen Kommissar Mario Monti oder dem polnischen Ex-Präsidenten Lech Walesa gehörten auch Wissenschaftler, wie der österreichische Demografie-Experte Rainer Münz, der Reflexionsgruppe an. Im Mai 2010 wurde das Ergebnis mit dem Titel "Projekt Europa- 2030 Herausforderungen und Chancen" veröffentlicht.

Und es ist eine große Enttäuschung. Im wesentlichen werden bereits bestehende EU-Politiken wiederholt und nur geringfügig weiterentwickelt, wie in der Klima- oder Forschungspolitik. Und wenn der Bericht ein wenig mutig ist, z. B. bei der Forderung nach einer Harmonisierung der Steuerpolitik oder einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik, rudert man gleich wieder zurück, indem man darauf besteht, dass die Verträge nicht geändert werden müssen. Der Lissabon-Vertrag war ein weiterer Schritt zur Integration Europas, aber ob er bis 2030 das geeignete Instrumenatrium zur Bewältigung der Herausforderungen für die Europäische Union bilden wird, ist wohl mehr als unwahrscheinlich.

Zwei Beispiele unterstreichen die Visionslosigkeit der Reflexionsgruppe besonders deutlich: Der Verhandlungsprozess mit der Türkei soll fortgesetzt werden. Wollen wir wirklich noch 20 Jahre verhandeln?

Zur Stärkung der partizipativen Demokratie empfiehlt die Reflexionsgruppe den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen verstärkt "anzuhören". Abgesehen davon, dass diese Verpflichtung bereits jetzt in vielen Bereichen schon besteht, kann dies wohl keine geeigente Massnahme sein, um die Identifikation der BürgerInnen Europas mit der Europäischen Union zu stärken.

Angesichts dieser Ideenlosigkeit ist es wohl kein Wunder, dass der Europäische Rat den Bericht der Reflexionsgrupe im Juni 2010 lediglich zur Kenntnis genommen und keine weiteren Aufträge erteilt hat. Allerdings bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Aufgrund der Zusammensetzung und des Mandats der Reflexionsgruppe, welches z. B. Fragen der Verwendung des EU-Budgets nicht umfasste, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass wahrhaft neue Ideen nicht wirklich erwünscht waren.

Margareta Stubenrauch, 22. Juni 2010