Ein taktischer Fehler

Europäischer Rat, Rom, Oktober 1990.- Der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung war der Stand der Vorbereitungen der Regierungskonferenz und insbesondere die Währungsunion. Ein Hauptpunkt der Debatte war, wie die zukünftige Währung aussehen sollte

 

 • Eine gemeinsame Währung, d.h. eine Währung parallel zu den nationalen Währungen (Pfund, Franc, D-Marks, etc.) ohne diese zu ersetzen

• Eine Einheitswährung, die an die Stelle der nationalen Währungen tritt. (Anm. des Übersetzerin: Es ist zu beachten, dass sich diese Definitionen vom deutschen Alltagsgebrauch unterscheiden können).

 

Am ersten Tag des Europäischen Rates wurde über diesen Punkt keine Einigung erzielt. Der Entwurf des Vorsitzes für Schlussfolgerungen, der frühzeitig am Abend des zweiten Tages verteilt wurde, ging von einer gemeinsamen Währung aus. Auf Fragen vor dem erneuten Verhandlungsbeginn erklärte die Präsidentschaft widerwillig, dass sie zum Schluss gekommen sei, dass die britische Premierministerin wohl kaum Schlussfolgerungen mit einer Einheitswährung zustimmen werde. Diese Einschätzung war angesichts des Diskussionsverlaufes kaum zu kritisieren.

 

Am Beginn der Sitzung erklärte Frau Thatcher, dass der Entwurf für die Schlussfolgerungen zum Thema Währungsunion inakzeptabel sei; Das Vereinigte Königreich könne diese Schlussfolgerungen nicht mittragen und brauche einen zusätzlichen Absatz, in dem der britische Standpunkt dargestellt sei.

 

Dies änderte alles. Hektische Aktivitäten in den Gängen, zahlreiche Delegationen setzten die Präsidentschaft unter Druck. Der italienische Premierminister, Giulio Andreotti, der den Vorsitz innehatte, sagte im Lauf der Diskussionen, dass die Präsidentschaft ihre Meinung geändert habe und Schlussfolgerungen vorschlagen werde, die auf einer Einheitswährung basieren. Als Frau Thatcher protestierte, antwortete er (mit einem sizilianischen Lächeln), dass das Vereinigte Königreich wohl kaum Einfluss auf eine von anderen Mitgliedsstaaten bevorzugte Formulierung nehmen könne, zumal es ja die Schlussfolgerungen nicht mittrage und einen eigenen Absatz beansprucht habe.

 

Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates lauten: Die Gemeinschaft wird eine Einheitswährung haben, als Ausdruck ihrer Einheit und Identität. Ein zusätzlicher Ansatz hält die abweichende britische Meinung fest. Wenn - wie es der Fall zu sein scheint- es das strategische Ziel der britischen Regierung zu jener Zeit war, die Geburt einer Einheitswährung zu verhindern, beging Frau Thatcher einen schweren taktischen Fehler. Auf dieser Ebene sind taktische Fehler nicht wieder gut zu machen. Der Euro ist heute eine Einheitswährung.

 

Aus: John Peterson Michael Shackleton: "The Insitutions of the European Union“, Oxford University Press, 2002, übersetzt von

 

Margareta Stubenrauch, 26. November 2006