Drei Fragen zu Europa

Die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik führte per e-mail eine Umfrage durch und stellte dabei drei Fragen zu Europa, die ich auf folgende Weise beantwortet habe. Auf telefonische Nachfrage hin, hat man mir mitgeteilt, dass die Ergebnisse in aggregierter Form publiziert werden. Das Veröffentlichungsdatum war noch nicht bekannt.

Womit sind Sie im Zusammenhang mit der EU zufrieden?
Die ursprüngliche Idee der Vermeidung von Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen auf unserem Kontinent ist nach wie vor attraktiv. Es ist vielen (insbesondere jungen) Menschen leider nicht mehr bewusst, aber es ist ein großer Fortschritt, keinen Vater, Bruder, Partner und/oder Sohn in einem Krieg verloren zu haben.

Zudem erfordern grenzüberschreitende Probleme, wie Umweltverschmutzung oder Migration gemeinschaftliches Vorgehen, da nationale Alleingänge keine Lösungen bringen.


Womit sind Sie im Zusammenhang mit der EU nicht zufrieden?
Die mediale Berichterstattung über die EU ist in allen Mitgliedsstaaten schlecht, aber wohl nirgendwo so erbärmlich wie in Österreich. Ständig werden die europäischen Institutionen miteinander verwechselt und die EU wird zum Sündenbock für alle negativen Entwicklungen gemacht, während die nationalen Regierungen als die VertreterInnen der BürgerInneninteressen gelobt werden.

Die Fokussierung auf die Lissabon-Agenda ist inhaltlich einseitig und politisch scheinheilig. Den BürgerInnen wird vorgegaukelt, dass die EU Probleme wie Arbeitslosigkeit, Überalterung der europäischen Gesellschaft und die Folgewirkungen der Globalisierung lösen kann. Die ist aber unmöglich, weil die Lissabon-Agenda im Gegensatz zu anderen erfolgreichen europäischen Initiativen, wie dem Binnenmarkt oder der Währungsunion über keinen Gemeinschaftsrahmen verfügt. Benchmarking und nationale Aktionspläne, als die wesentlichen Elemente der Lissabon-Agenda, sind zum Scheitern verurteilt, denn auf nationaler Ebene passiert nichts und die „Schuld“ kann man dann wieder einmal „Brüssel“ zu schieben.


Welche Themen im Zusammenhang mit der EU werden in ihrem Wirkungskreis positiv oder negativ diskutiert?
Ich arbeite in der EU-Koordinationsabteilung eines Ministeriums. Daher beschäftige ich mich täglich mit in unterschiedlicher Tiefe mit europäischen Themen, wie Umweltpolitik, Lissabon-Agenda oder der europäischen Verfassung.

In meinem privaten Umfeld leiste ich primär Aufklärungsarbeit zu den europäischen Institutionen und ihren Rollen. So sind der Europäische Gerichtshof und seine Erkenntnisse quasi unbekannt. Warum wohl?

Kaum jemand weiß, dass die MinisterInnen der Mitgliedsstaaten an den meisten Entscheidungen und Beschlüssen der Europäischen Union beteiligt sind, von denen in der Zeitung zu lesen ist, „Brüssel“ habe beschlossen. Ich ernte Ungläubigkeit und Erstaunen. Aber ich werde nicht müde, Fehlinformationen und Scheinheiligkeit aufzuzeigen, denn die europäische Integration ist und bleibt das Beste, was diesem Kontinent passieren kann.

Margareta Stubenrauch, 22. April 2006