Die EU-Präsidentschaft

Österreich wird im ersten Halbjahr 2006 den Vorsitz - oft auch als Präsidentschaft bezeichnet - in der Europäischen Union (EU) übernehmen. Dieser Vorsitz im Rat der EU wechselt halbjährlich nach einer festgelegten Reihenfolge.

Zu den Aufgaben des Vorsitzes gehört es

1. die Treffen des Rates in Form von Ministertagungen oder Ratsarbeitsgruppen zu organiseren und zu leiten
2. EU-intern den Rat gegenüber den anderen EU-Institutionen (Europäische Kommission, Europäisches Parlament) zu vertreten
3. die EU nach außen zu vertreten, sowohl bilateral z.B. China, Russland als auch bei den multilateralen Organisationen, wie den Vereinten Nationen oder der Welthandelsorganisation (WTO)
4. sicherzustellen, dass laufende Verhandlungen. z.B. über neues EU-Recht abgeschlossen, bzw der folgenden Präsidentschaft übergeben werden.

Die Präsidentschaften der Jahre 2004-2006 (Irland, Niederlande, Luxemburg, Großbritannien, Österreich und Finnland) haben sich auf ein mehrjähriges Arbeitsprogramm geeinigt, um größtmögliche Kontinuität und gemeinsame Ziele in den Vordergrund zu stellen. Naturgemäß ist dieses Programm recht allgemein gehalten. Konkreteres ist von den Jahresprogrammen zu erwarten, die jeweils von den beiden Ländern gestaltet werden, die über ein Jahr den Vorsitz ausüben, für 2006 sind das Österreich und Finnland.

Der Vorsitz wird vom Generalsekretariat des Rates unterstützt, das für die Vorbereitung und den reibungslosen Ablauf der Arbeiten des Rates auf allen Ebenen sorgt. Javier Solana wurde 1999 zum Generalsekretär des Rates ernannt. Das Generalsekretariat ist eine eher im verborgen arbeitende Einrichtung. Ihre VertreterInnen sehen sich selber als "Diener" des jeweiligen Vorsitzes.

Idealerweise sollte eine Präsidentschaft dazu benützt werden, um als unparteiischer Schiedsrichter für einen Interessensausgleich zwischen den Mitgliedsstaaten zu sorgen und die Ziele der EU zu verwirklichen. In der Praxis werden Präsidentschaften immer auch dazu benützt, (wahre oder falsch verstandene) nationale Interessen voranzutreiben, was durch das Agenda-Setting natürlich auch möglich ist. Themen, die von der Präsidentschaft nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden, werden nicht besprochen. Der nationale Gestaltungsspielraum ist in Wahrheit aber wesentlich eingeschränkter, als es uns die Medien glauben machen wollen. Dies liegt großteils daran, das für alle aufgebrachten Themen ja auch die Zustimmung der anderen Mitgliedsstaaten sichergestellt werden muss. Insoferne eignet sich der Vorsitz somit weniger für ruhmreiche neue Initativen in Form nationalistischer Alleingänge, sondern allenfalls zum Verzögern und Verschleppen bereits laufender Arbeiten.

Selbstverständlich kann der Vorsitz auch dazu benützt werden, die Arbeit der EU den eigenen BürgerInnen näher zu bringen. Inwieweit dies in einem Klima der von den Regierungen selbst betriebenen EU-Feindlichkeit ("die guten Dinge machen wir national, die bösen kommen aus Brüssel") in Zukunft geschehen und wie sich die österreichische Bundesregierung dahingehend verhalten wird, bleibt abzuwarten.

Margareta Stubenrauch, 18. September 2005